Arbeitsgruppe Bad Saulgau

Rückblick - 6. Lesestation - am 22.11.2022

Kindheit in der Kriegs- und Nachkriegszeit
– ein Erlebnisbericht von Frau Isolde Schenk

Erlebnisbericht von Frau Isolde Schenk
Lesung - Isolde Schenk - Rückblick

Im Rahmen des Buchprojekts „Geschichten hinter der Geschichte“ hat auch Frau Isolde Schenk sich in die Reihe der etwa 100 Autoren begeben und über ihre Erlebnisse als Kind in Saulgau vor, im und nach dem 2. Weltkrieg einen ausführlichen Bericht geschrieben.

Frau Schenk entstammt einer Saulgauer Familie, in der allen die Musik in die Wiege gelegt war: Der Vater war Musiklehrer und Chorleiter, die Mutter Privatmusiklehrerin, und alle Kinder – auch die Autorin - beherrschten mehrere Instrumente und brachten sich damit auch in Orchester ein.

Isolde Schenk, ist 1933 in Saulgau geboren und ist noch heute dort wohnhaft. Sie war die Älteste von drei Kindern und wuchs in der Lindenstraße auf. Isolde wurde 1939 eingeschult und erlebte die Kriegs- und Nachkriegsjahre, über die sie detailliert zu berichten weiß, sehr bewusst. Zunächst war der Krieg in Saulgau kaum spürbar, erfasste dann aber doch immer mehr das Alltagsleben; Lebensmittel wurden knapper und die Selbstversorgung aus dem Hausgarten immer wichtiger, auch Heizen wurde immer schwieriger. Kleidung und Schuhe erhielt man nur noch auf Bezugsschein.
Manchmal kam der Vater auf Heimaturlaub. Die Front der Alliierten rückte immer näher, der Flüchtlingsstrom hatte nun auch Saulgau erreicht - die Wohnverhältnisse wurden immer enger. Isolde Schenk erinnert sich, wie die Franzosen am 22. April 1945 in Saulgau einrückten und sie als Jugendliche die darauf folgenden bitteren Jahre der Besatzung erlebte.

Die Veranstaltung begann um 14.00 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus und stand nicht nur Senioren, sondern allen interessierten Personen offen.

 


Aus der Presse:

Isolde Schenk weckt vorab Leselust mit Erinnerungen an ihre Kindheit in der Kriegs- und Nachkriegszeit

Im Rahmen der Ökumenischen Seniorenbegegnung hat die 88jährige Bad Saulgauerin Isolde Schenk aus ihren Aufzeichnungen für das Buchprojekt „Geschichten hinter der Geschichte“ gelesen und die zahlreichen Zuhörer zum lebhaften Austausch eigener Erinnerungen angeregt. Ursprünglich war das Erscheinen der Bücher für den Herbst 2022 geplant. Doch die überwältigende Zahl von Beiträgen und einmaligen historischen Fotos machten es notwendig, das einbändig angedachte Werk auf drei Bücher zu erweitern. Da die Initiatorin des Projekts, Conny Scheck, auf eine anspruchsvolle Edition großen Wert legt, bedingen die erforderlichen Arbeitsgänge einen immensen Zeitaufwand, sodass sich der Erscheinungstermin ins Frühjahr 2023 verschiebt. Fallen damit die Pläne mancher Bücherfreunde, das Werk einem lieben Menschen als Geschenk unter den Christbaum zu legen, ins Wasser? Nicht ganz, denn für vorbestellte und bereits bezahlte Bücher gibt es einen künstlerisch ansprechend gestalteten Geschenk-Gutschein, der nach dem Erscheinen der Trilogie eingelöst werden kann.

Der Termin für die Vorstellung der Bücher wurde inzwischen auf den 25. Mai 2023 festgesetzt. Verbunden ist er mit einem zweiten spannenden Event, der Aufführung eines Theaterprojekts in der Stadthalle. Dafür hat Michael Skuppin ein Szenario entworfen und Texte geschrieben, die Bezug nehmen auf Berichte von Zeitzeugen aus den Geschichtenbüchern. Auf diese Weise entsteht auch szenisch ein Beitrag zur Erinnerungskultur, die gerade in vielen Medien präsent ist. Als Schauspieler stehen Schüler und junge Erwachsene auf der Bühne, die sich bereits jetzt ihre Rollen erarbeiten.

Wie die Lesung von Isolde Schenk bewies, zeigen Erinnerungen an den Krieg aus der Sicht eines Kindes verschiedene Stadien von Gefühlen. Die Schilderung vom Seilhüpfen mit Spielkameraden, vom Räuber- und Bollespielen, vom Schlittenfahren am Haldenhof zeichnete das Bild einer unbeschwerten Kindheit. Sehr zögerlich schlich sich der Krieg in das Bewusstsein von Isolde und ihrem Bruder Benno. Etwa durch den Einberufungsbefehl des Vaters. Oder die Erfahrung, dass im Winter nur noch ein Zimmer geheizt wurde. – „Genau wie heute wieder.“, schmunzelte Isolde Schenk mit Blick auf den aktuellen Ruf zum Energiesparen. Nach 1943 war der Krieg für die Kinder auch in Saulgau angekommen.

Als die zehnjährige Isolde in der ersten Gymnasiumsklasse war, wurden alle Mädels in die Gruppe der Jungmädel verpflichtet, wo man in Dreierreihen unter Gesang marschieren lernte. Auftritte als Chor führten unter anderem in das Lazarett des heutigen Aufbaugymnasiums, wo die Mädchen den entsetzlichen Anblick grauenhaft verletzter Soldaten kaum ertrugen. Eine Begegnung mit einem Jagdflieger der Alliierten vermittelte Todesangst. Da die Schützen den Befehl hatten auf alles, was sich bewegte zu schießen, feuerten sie auf einen pflügenden Bauern. Zum Glück wurde er nicht getroffen, doch Isolde und ihre Begleitung, die in der Umgebung das neue Geschwisterchen, Baby Anneliese, ausführten, erschraken bis ins Mark.
Als der Vater 1946 aus dem Krieg zurückkehrte, war Anneliese drei Jahre alt und hatte den Papa nie zuvor gesehen. Offenbar tat sie sich schwer mit dem neuen Familienmitglied, denn sie forschte nach: „Mama, wann geht der Mann wieder?“
Hatten die Zuhörerinnen und Zuhörer Isolde Schenks Ausführungen immer wieder mit zustimmendem Nicken und einem geflüsterten „Genau so war’s!“ begleitet, so schuf sich nach dem Ende der Lesung ein großes Mitteilungsbedürfnis Raum. Eigene Erinnerungen „Ond i woiß au no….“ wurden ausgegraben und kommentiert. Ein Beweis dafür, wie wichtig es ist, die „Geschichten hinter der Geschichte“ zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren.

Fotos und Text: Monika Fischer

 

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