Natürlich freuen sich die Arbeitsgruppe SLG und die vielen Kunstschaffenden sehr, dass wir durch den Verkauf ihrer Arbeiten zur Umsetzung unseres Buchprojekts „Zeitzeugen-Erinnerungen“ eine stabile finanzielle Basis schaffen konnten.
Doch fast noch wichtiger waren wohl die unglaublich herzlichen Begegnungen, die vielen interessanten Gespräche. Eine wahrlich bunte Mischung: die Ausstellung verbunden mit ergreifenden Lesungen und entspannte Geselligkeit - das Podium Holzmühle wurde tatsächlich zum „gesellschaftlichen Ereignis“, so war es in der Schwäbischen Zeitung zu lesen!
Ins Licht gerückt wurden nicht nur die Arbeiten der Künstler, die unser Anliegen von Herzen unterstützten - wir haben mit diesem Event vor allem auch unsere Saulgauer Spurensuche einem breiten Publikum näher gebracht. Das Interesse an diesem schwierigen Thema ist enorm. Das zeigen die vielen Buch-Vorbestellungen, die wir inzwischen erhalten haben.
Begleitet von den Stimmen von sieben jungen Sängerinnern unter dem Dirigat von Waltraut Marschall, wurde die Benefiz-Veranstaltung mit zwei ergreifenden Ansprachen eröffnet:
Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mein Name ist Mary Gelder und ich grüße Sie sehr herzlich im Namen der Arbeitsgruppe SLG - Spuren Lebendig Gemacht zu einem ganz besonderen Abend - an einem ganz besonderen Ort, zu einem ganz besonderen Zweck.
Ich darf Ihnen den eigentlichen Initiator dieses Abends - Anton Franz Schmid - kurz vorstellen.
Anton Franz Schmid ist in Bad Saulgau aufgewachsen, aufgewachsen mit Träumen, Idealen und Wünschen – genau so, wie sie auch heute noch viele junge Menschen in seinem Alter haben. Anton hatte noch einen Bruder, Fritz. Beide verband dasselbe Schicksal – sie gingen und blieben im Krieg!
Anton ist Pilot und gerade mal 25 Jahre alt, als er 1944 in den Niederlanden auf einem Nachtflug mit einer anderen deutschen Kampfmaschine zusammenstößt und mit seiner ganzen Besatzung zu Tode kommt.
Wie weitere 32.000 junge deutsche Männer hat auch er - weit von der Heimat - auf dem Soldatenfriedhof Ijsselstijn in den Niederlanden seine letzte Ruhe gefunden.
Was musste die Mutter wohl durchgemacht haben?
Dieses Schicksal, das erst vor knapp zwei Jahren vollends aufgeklärt werden konnte, war der eigentliche Auslöser unseres Aufrufs. Wer hätte damit gerechnet, dass wir hinter Antons Geschichte 100 weitere Geschichten bergen durften und damit 100 Menschen, die uns mit berührenden Worten an ihren Erinnerungen teilhaben lassen.
Mit dem heutigen Abend erweisen Sie diesen Menschen die Ehre und allen, die uns helfen, diese Erinnerungen zu retten und der nächsten Generation weiterzureichen. Ich bedanke mich herzlich, dass Sie da sind.
Und nun gebe ich Frau Marschall mit ihrer Sängerschar den Taktstock. Auch darf ich Ihnen Conny Scheck zu meiner Linken ans Herz legen. Sie ist selbst Künstlerin und hatte die Idee für dieses einzigartige Benefiz, wozu uns die Familie Beller-Härle beherzt unterstützt.
DANKESCHÖN!
Die Geschichte wurde von Männern geschrieben, aber unsere „Geschichten hinter der Geschichte“ waren vielfach Frauengeschichten.
So hat mich Conny Scheck ermutigt, aus den Soldatengeschichten meines Vaters und seiner Brüder heraus die Geschichte meiner Großmutter aufzuschreiben. Und müsste ich diese Geschichte heute aufschreiben, ich würde es mit sehr viel mehr Emotion tun. Denn ich schaue heute als "Alt-Achtundsechzigerin" nach all den Zeitzeugnissen, die ich hier gelesen habe, viel verständnisvoller, milder und liebevoller auf die belastete Generation.
Es ist also nicht nur das Nicht-Vergessen, das Erinnern, sondern auch das Heilsame, was wir daraus gewinnen. Heilsam durch das Verstehen unserer Geschichte, verstehen, welche Belastungen unsere Vorfahren durchstehen mussten, die sie zu denen gemacht haben, die wiederum uns erzogen haben und unser Denken und unser Sprechen geprägt haben.
Im Judentum gilt das Postulat "Erinnere dich!" Wie wäre sonst die Bibel entstanden?
Die jüdischen Psychologen S. Freud, C.G. Jung u.a. sind dieser Erinnerungskultur entsprungen und haben das in den Psychoanalysen und Psychotherapien eingefordert.
Mit unserer Arbeit der Erinnerungskultur wissen wir uns auch in prominenter Gesellschaft: Von Johann Valentin Andreä (1586-1654), württembergischer Prälat, Hofprediger Präsident des Konsistoriums und Mitglied des Landtags stammt der Ausspruch „Menschen, welche die Vergangenheit nicht kennen, sind unfähig zur Gegenwart und untauglich zur Zukunft.“
So gehe ich auch aufmerksam und einsatzfreudig mit der nachfolgenden Generation um, die die Zukunft gestaltet. Sie ist ja ganz aktuell neuen Herausforderungen ausgesetzt und ich freue mich sehr, wie ich auch hier den Einsatz für Freiheit und Frieden wahrnehme.
Wohin am Ende ideologische Verleitung und falsche Worte führen, das kann man nirgendwo besser nachvollziehen als auf einer Kriegsgräberstätte wie Ijsselstijn/Niederlande.
» siehe auch „über uns“: Gedanken von Conny Scheck
Krieg, das ist nichts, wovon man nur in Geschichtsbüchern liest oder in Erzählungen der Großeltern hört – das Thema Krieg ist leider brandaktuell,
Film von Leon Vrijdag Fotografie
Die Arbeitsgruppe SLG - Spuren Lebendig Gemacht - arbeitet ehrenamtlich.
Wir planen unser herausforderndes Buchprojekt im Mai 2023 umzusetzen.
Dazu benötigt es natürlich auch der finanziellen Mittel.
Arbeitsgruppe SLG
Stadtarchiv Bad Saulgau
Maria M. Gelder
Öffnungszeiten: Di u. Mi v. 8 - 12 Uhr
Gefördert durch das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).
© 2024 | Arbeitsgruppe SLG